Samstag, 1. Juni 2013

Vitaminpulver


Das erste Pulver war das von Birkhahn, es folgten mehrere Imitate mit nicht immer geglückter Rezeptur. Interessant ist, dass am Birkhahnpulver nicht die Vitamine sondern die Aminosäuren das Wesentliche sind. In seiner Arbeit „ Neue Erkentnisse über die Aminosäureversorgung bei Dendrobatiden“ (herpetofauna 13 (74) Oktober 1991) zeigt er, dass die Gabe von Aminosäuren Mängel wie schlecht entwickelnde Gelege, aus denen nur Quappen mit aufgeblähten Dottersäcken oder Jungfrösche mit fehlenden Vorderbeinen entstanden, behoben wurden. Generell war die Wachstumsgeschwindigkeit der Jungfrösche grösser. Das „Vitaminpulver“ sollte deshalb korrekt Aminosäurepulver genannt werden. Vitamine werden immer noch überschätzt und die eingebürgerte falsche Bezeichnung bestärkt diese Fehleinschätzung.

Einstäuben ist bequemer als gut loading. Ein Teil des Pulvers fällt allerdings in die Behälter und ergibt einen guten Nährboden für Hefen und Bakterien, die ohnehin ein Problem bilden. Weiter können dem Pulver keine omega-3 und -6 Fettsäuren zugesetzt werden. Diese sind in Wiesenplankton in erheblicher Konzentration vorhanden, aber in Zuchtinsekten unter den Nachweisgrenze. Vitamin D ist sehr empfindlich gegen Oxydation (will undergo oxydation if exposed to air at 24° C for 72 h, Handbook of Vitamins 2001, Eds. R.B.Rucker et.al., S. 58). Es wäre also ein Weg zu suchen , die Inhaltsstoffe per gut loading in die Insekten zu bringen und eine sichere Applikation von ungesättigten Fettsäuren und Vitamin D einzuschliessen.





















Tabellen der Inhaltsstoffe des Aminosäurepulvers von H. Birkhahn. 

Donnerstag, 9. Mai 2013

Fitness und Fruchtbarkeit beim gemeinen Grashüpfer in Abhängigkeit von der Vielfalt der Futterpflanzen


Untersucht wurde der Einfluss der Vielfalt von Futterpflanzen auf die Eiablage und die Zahl der Nachkommen beim gemeinen Grashüpfer (Chorthippus parallelus) (1).

Die Heuschrecken wurden auf ungedüngten und unbeweideten Wiesen gefangen und in Laborhaltung ihre Eiablage und der Schlupf der Nymphen erfasst. Dabei wurden die Entnahmen auf Wiesen mit unterschiedlicher Pflanzendiversität zwischen 20 und 40 Futterpflanzen vorgenommen. In der Laborhaltung wurde das Gras Dactylis glomerata als Futter angeboten. Die Eiablagen wurden ausgezählt und nach einer Hibernierungszeit zum Schlupf gebracht. Zwischen den Heuschrecken von Entnahmeflächen mit nur 20 Futterpflanzen und solchen mit 40 Futterpflanzen ergab sich eine Erhöhung der Eiablage um rund 60% und des Schlupfes der Nymphen um rund 30%.

Für unsere Interessen wichtig scheint mir, dass auch bei laborgezüchteten Insekten die Vielfalt und Komplexität des Futters von grosser Bedeutung ist und die Frage wie nahe wir an die unbestritten optimalen Werte von „Wiesenplankton“ kommen können.

1. S.B. Unsicker et al.  Plant species richness in montane grasslands affects the fitness of a generalist grasshopper species. Ecology,91 (4),2010,pp. 1083-1091

Sonntag, 10. März 2013

Unerwartetes bei Treiberameisen (Dorylus molestus)



Treiberameisen gelten als „nature`s primordial exterminators“, sie  zerlegen mit ihren scharfen Mandibeln sogar Wirbeltiere, „prey animals not commonly attacked by New World species “ (1). Von einem gekäfigten  Krokodil und Schlangen, die bis aufs Skelett von „Siafu“- so der Lokalname in Kenia, abgenagt wurden, wird berichtet. In der afrikanischen Folklore  wird sogar von angebundenen Haustieren berichtet, von denen am Tag danach nur noch Knochen und der Schädel am Strick übrig war. 
                                                                                                                                                                                                  
Ich hatte Gelegenheit, eine kleine Kolonie von einigen Tausend Dorylus molestus mit der Königin in einem Formicarium zu beobachten. Es stellte sich heraus, dass die Dorylus unfähig sind, mehr zu erbeuten als kleine Invertebraten. Bereits ein Heimchen überfordert sie: sobald das Heimchen von einer Ameise angegriffen wird und springt, verlieren die blinden Ameisen die Orientierung. Aufgeregt suchen sie die Umgebung ab. Angebotenes Muskelfleisch vom Rind, Huhn oder Fisch ist schnell von Ameisen bedeckt, aber nie konnte ich beobachten, dass sie auch nur winzige Stücke abschnitten und wegschafften. Wenn sie in Millionen über eine immobilisierte Beute herfallen, kann wohl  schon der Eindruck entstehen, sie würden das Opfer zerfleischen. In Wirklichkeit nehmen sie nur verflüssigte Nahrung auf. Genauso verfahren sie mit grösseren Insekten, die für sie nicht mehr transportfähig sind, Wachsmadenraupen zum Beispiel. Wenn der Transportversuch gescheitert ist, versammeln sich viele auf der durch zahllose Bisse getöteten Raupe und beginnen den verflüssigten Inhalt aufzulecken. Bei  Eciton burchelli , Treiberameisen in Mittel- und Südamerika, konnte ich beobachten, wie sie auch grössere Insekten wie Heuschrecken oder Skorpione , überfielen, durch zahlreiche Stiche töteten und danach in transportfähige Stücke zerlegten und ins  Biwak transportierten . Die Dorylus  erscheinen dagegen geradezu harmlos.                                                                                                                               
Die Kolonie Dorylus wurde ausgegraben und nicht beim Umzug  eingefangen. Die Königin machte keinen vitalen Eindruck und ging nach wenigen Tagen ein. Sie ist mit 40 mm riesig. Ich vermute, dass es nötig wäre, die Königin in der Migrationsphase zu entnehmen. Die Umzüge der Kolonie wiederholen sich nach 3 bis 45 Tagen (2).Es ist also sehr schwierig, den Zeitpunkt der nächtlichen Wanderung zu treffen und im Millionenzug die Königin ausfindig zu machen.   

  
Bild 1: Ein Soldat versucht sich an einer Pinzette.


 Bild 2: Königin mit Arbeiterinnen.


Bild 3: Königin im Ytong-Nest.


 Bild 4: Dorylus erbeuten Wachsmaden.



































Bild 5: Grössenvergleich: Arbeiterin, Soldat, Königin.    

                            
Immerhin war auch das Ausgraben aufschlussreich. Die Afrikaner lehnten Gummistiefel, die mit Vaseline bestrichen waren, grinsend ab und gruben mit Flipflops an den Füssen. Die beissenden Dorylus konnten ihnen nichts anhaben. Nur wenn es Soldaten mit ihren kräftigen Mandibeln im Hosenbein nach oben schafften, sprang einer unter dem Gelächter der Übrigen aus der Grube. Weisse Haut hält den Bissen nicht stand, jeder Biss blutet.       
                                                                                    
Eine Wurmschlange (Typhlops) wurde stolz als Königin präsentiert und es war  schwierig, die Ausgräber zu überzeugen,  weiter zu graben.  In Kenia glaubt man fest daran, dass die in den Kolonien gefundenen Typhlops die Königinnen der Dorylus  sind.       
                                                        
Dorylus wären wohl  in Formicarien  haltbar, wenn es gelänge, sie mit einer überlebensfähigen Königin zu beschaffen und es sind vermutlich noch viele Beobachtungen zu machen, die nur so möglich sind und von dem „Mantra“ über  army  ants  abweichen.

1         Schneirla, T.C. 1971  Army Ants . A Study in Social Organization. W.H. Freeman and Company, San Francisco.
2         Gotwald, W.H., Jr.,and G.R. Cunningham –van-Someren. 1990. A year in the life of an Old World army ant colony: spatial patterns in foraging and emigration. Pages 714-715 in G.K. Veeresh, B. Mallik, and C.A.Viraktamath, eds, Social  Insects and the Environment: Proceedings of the Eleventh International  Congress of the International Union for the the Study of Social Insects, Oxford and IBH Publishing Co., New Dehli.

Samstag, 23. Februar 2013

Sex bei Drosophila



Mit der Entdeckung des Sex Peptids (1) und seiner künstlichen Synthese (2) wurde eine detailreiche Analyse der Fortpflanzung bei Drosophila möglich. Insbesondere die schrittweise Synthese ergab die Möglichkeit, die Segmente des 36 Aminosäuren langen Peptids zu studieren. Ich fand das sehr interessant und stelle eine Kurzfassung  ein.
Bei der Paarung werden Spermien und eine Flüssigkeit, die aus den akzessorischen Drüsen des Ductus ejakulatorius  stammt und auch Sex Peptid (SP)  enthält,  in den Genitaltrakt des Weibchens übertragen. Das SP wird an Kopf und  Schwanz der Spermien gebunden. Während die Bindung am Kopf kurzfristig ist, bleibt das SP am Spermienschwanz  länger gebunden. Das vom Kopf abgelöste SP diffundiert in die Hämolymphe und löst durch Bindung an Rezeptoren zwei Paarungsreaktionen aus: Die Paarungsbereitschaft (Perzeptivität) wird vermindert und die Eiablage stark erhöht. Daneben wird die Futteraufnahme gesteigert, die sonst normale Siesta fällt aus, das Imunsystem wird angeregt und es werden Proteasen in die Hämolymphe freigesetzt. Diese Proteasen bauen das SP ab, so ist die Wirkung des vom Spermienkopf stammenden SP nur kurzfristig. Durch die stetige Abgabe von SP vom Spermienschwanz wird verhindert, dass die Eiablage sinkt und die Perzeptivität ansteigt, das dient dem männlichen Interesse: alle Nachkommen haben seine Gene. Zusätzlich gibt das Männchen bei der Paarung ein übel riechendes Sekret (repellent) ab, das anderen Männchen die Annäherung an das befruchtete Weibchen verleiden soll. Das weibliche Interesse liegt anders: durch mehrere Paarungen würde die genetische Vielfalt ihrer Nachkommen erhöht und  ihr Fortpflanzungserfolg (fitness) besser  gesichert,  ihre eigenen Gene werden ohnehin weitergegeben.
Die Spermienschwänze bei Drosophila sind extrem lang. Bei D. melanogaster mit 1,8 mm körperlang, bei der 3 mm grossen D. furca mit 58 mm fast die 20-fache Körperlänge.

1 Fox, A.S., Mead, C.G. & Munyon, I.L., 1959, Sex Peptide of Drosophila melanogaster, Sience 129, 1489-1490

2 Chen, P.S., Stumm-Zollinger, E., Aigaki,T., Balmer,J., Bienz, M. & Böhlen, P., 1988. A male accessory gland peptide that regulates reproductive behavior of female D. melanogaster. Cell 54, 291-298.