Samstag, 12. August 2017

IR-A, IR-B, IR-C, ein Problem im Terrarium?



Die Wirkung  von IR-Wärmestrahlung messen wir undifferenziert mit dem Thermometer. Für poikilotherme Tiere ist die Wirkung differenzierter, zusammengefasst:

·      IR-C  (2500 -6000 nm) hat wenig Energie, dringt nicht ins Gewebe ein, wirkt nur durch Konvektion. 
·      IR-B  (1400 -2500 nm) ist 20 Mal energiereicher, dringt 1 mm tief ein und erreicht die Wärmerezeptoren in der Haut. Diese Rezeptoren steuern die zentrale Thermoregulation.
·      IR-A (800 – 1400 nm) 400 Mal energiereicher, dringt bis 7 mm ein, erregt dabei auch die Wärmerezeptoren in der Haut und erwärmt von innen durch Energieabgabe an die Kapillarnetze, die entscheidend an der Thermoregulation beteiligt sind.

Täglich müssen die heliophilen Arten die morgendliche Sonnenwärme nutzen, um möglichst rasch in ihre bevorzugte Aktivitätszone zu kommen. Und dabei eine überschiessende Wärmeaufnahme sicher vermeiden, denn die letale Zone beginnt nur einstellig höher. KRUEGER  hat schon 1929 auf die Bedeutung der Infrarotstrahlung hingewiesen, blieb aber weitgehend unbeachtet. SINERVO hat gezeigt, dass der bisherige Klimawandel mit Temperaturerhöhungen und der Ausdehnung der erzwungenen mitttäglichen Ruhezeiten bereits zur Abnahme der Artenvielfalt geführt hat.
Schon vor Jahren hatte ich mit einem Dummy im Terrarium die Wirkung des dort vorherrschenden IR-B untersucht und gefunden, dass die Kerntemperatur verlangsamt ansteigt - nur durch Konvektion. Dadurch wird die Thermoregulation empfindlich gestört.

Ich beobachte seit langem ein merkwürdiges Verhalten bei einer Gruppe von Mauereidechsen, die vor meinem Laborfenster auf der Terrasse lebt (Abb.1).

Sie brechen das Sonnen ab, wenn Wind aufkommt und ziehen sich in den Schatten der Trompetenranke zurück. Das geschieht jedoch erst, nachdem sie bereits aufgewärmt sind. Morgens, beim Beginn des Sonnens, stört sie ein gleich starker (schwacher) Wind nicht. Erst wenn die Färbung von dunkel- auf hellbraun gewechselt hat und sie zunehmend aktiv werden, treteln oder den Nachbarn drohen, und nicht mehr flach auf den Steinplatten liegen, sondern den Kopf erhoben halten, reagieren sie auf Wind. Ich
konnte mir dieses Verhalten nicht erklären, vermutete aber einen  Zusammenhang mit ihrer Thermoregulation. Wiederum mit einem Dummy wollte ich versuchen, das zu verstehen.
 
 
Das Dummy besteht aus einem dünnwandigen PET-Röhrchen von 15 mm Durchmesser. Es ist mit einem wässerigen Gel gefüllt. Zwei Mikrotemperatursensoren  messen die „Haut-“ resp. die „Kerntemperatur“; der eine ist aussen  aufgekittet, der andere ist in der Mitte des Röhrchens im Gel fixiert (Abb.2). 
Das Dummy wurde auf den Steinplatten bei den Eidechsen aufgestellt und die beiden Werte in 5 min Abständen notiert. Das Diagramm zeigt ein eng paralleles Ansteigen der Temperaturen, mit gelegentlichen Überschneidungen durch Windeinwirkung (Abb.3). 
 
Die Eidechsen sonnen, bis die Kerntemperatur 31°C erreicht hat, dann weichen sie in den Schatten aus. Wenn jedoch bei 28/29 ° Wind aufkommt, brechen sie das Sonnen ab und gehen in den Schatten. Ich interpretiere dieses Verhalten als Versuch, eine Erwärmung über 31°C zu vermeiden. Sie könnte eintreten, wenn durch den Wind eine Abkühlung der Haut und damit der Wärmerezeptoren entsteht und eine Falschmeldung zum Gehirn gelangte. 31° sind offensichtlich bei dieser Spezies die bevorzugte Aktivitätstemperatur. Andererseits sehe ich sie noch bei 34° aktiv, allerdings nur im Schatten.

Das Diagramm in Abb. 4 zeigt die Temperaturabhängigkeit eines Enzyms. Bei einer Temperaturdifferenz von 1 °C tritt eine Änderung der Aktivität um 7% ein; der Stoffwechsel ist also sehr sensibel. Für die Eidechsen geht es ums Konstanthalten  der Temperatur um 1 bis 2° in der bevorzugten Temperaturzone . Das überrascht bei einem täglichen Temperaturgang zwischen der Nacht mit ca. 18° und dem Tagesoptimum von 31°. Bei einer Ueberschreitung dieser Temperatur steigt der Stoffwechsel weiter steil an. Das wird versucht zu vermeiden, es ist aber erträglich. Es erinnert mich an unsere eigene Situation: 2° über dem Optimum sind 39,5 ° Temperatur (Fieber); der Stoffwechsel ist stark erhöht. In unserem Falle ist das nicht eine Folge der Sonneneinstrahlung, sondern eines pathologischen (Bakterien, Viren) oder chemischen (Pyrogene Substanz) Prozesses.  

Anschliessend  habe ich das Dummy in ein Terrarium mit einem 60 Watt Glühlampenspot gestellt Die Temperaturkurven zeigen getrennte Verläufe (Abb.5).  
Das war zu erwarten beim Fehlen von IR-A; die Erwärmung des Kerns geschieht durch Konvektion, nicht durch IR- Strahlung. Der Effekt wird noch erhöht durch das Rückstrahlen niedrigerwelligeren IRs von den Glaswänden.
 
Im Sonnenlicht ist das Verhältnis IR-A zu IR-B wie 3 zu 1. Im Spektrum eines Glühlampenspots 1 zu 5 und selbst ein CDM Spot hat nur 1 zu1.  Das muss auf die Thermoregulation von Poikilothermen  erhebliche Auswirkungen haben und erklärt möglicherweise teilweise die Erfahrung, dass eine Haltung von Heliophilen im Sonnenlicht, besonders in Terrarien, die grossflächig gazebedeckt sind und damit Albedo ermöglichen, ausserordentlich erfolgreich ist.
 
Wenn im Terrarium ein sonnenähnliches IR-Spektrum entstehen soll, muss aus dem Licht eines CDM Spots durch ein IR-Sperrfilter das IR-B zu mindestens zwei Drittel entfernt werden, um sowohl den zu hohen Anteil von IR-B des Spots als auch die Rückstrahlung  zu kompensieren.
 
Als experimentelle Filter erfüllen Wasserfilter die Anforderungen; sie sind einfach herzustellen und kostengünstig im Vergleich zu durch spezielle Bedampfung angepassten IR-Sperrfiltern. Je breiter der Abstand zwischen den Glasscheiben, desto mehr vom langwelligen IR wird absorbiert. Ein kontinuierlicher Wasserdurchfluss führt die Wärme ab (Abb.6). 

Ich bin dabei, ein solches Filter auszuprobieren und erwarte eine Steigerung der Vitalität bei heliophilen Echsen (speziell Chamäleons) im Innenterrarium durch Aktivierung der physiologischen Thermoregulation. 


Paul Krüger ,  Ueber die Bedeutung der ultraroten Strahlen für den Wärmehaushalt der                      Poikilothermen, Biologisches Zentralblatt , 49. Band, 1929, S. 65 -  89  

Barry Sinervo  et al, Erosion of  Lizard  Diversity  by  Climate Change and  Altered                                   Thermal  Niches, Science, Vol 328, 2010, pp. 894-899