Donnerstag, 30. April 2009

Quappenaufzucht von Oophagen der histrionica-Gruppe mit künstlichem Futter

Die ersten Versuche waren Modifikationen der zuerst von R. Bechter und H. Zimmermann berichteten Eigelb-Ernährung. Auch mit zahllosen Varianten an Zusätzen war jedoch kein regelmässiges Wachstum der Quappen zu erreichen; die meisten verendeten in einem frühen Entwicklungsstadium. Eigelb war offenbar viel zu kalorienreich, um von den Quappen verdaut zu werden. Nach und nach wurde das Futter bis auf geringe Reste von Eigelb variiert und durch andere Zusätze ergänzt, die Konsistenz wurde durch Zugabe von Carbacol gallertig erhalten.

Ein Futter auf Basis von Fischeiern hat dann zum Erfolg geführt. Das Futter muss allerdings immer noch täglich frisch zubereitet werden, erfordert den Einsatz einer Analysenwaage und auch die Beschaffung von Folsäure und Jodat ist nicht ganz unproblematisch (Zusammensetzung siehe Tabelle). Damit war ein gleichmässiges und gegenüber natürlicher Aufzucht nur wenig verzögertes Wachstum zu erreichen. Leider hat sich herausgestellt, dass damit die Probleme um die künstliche Aufzucht nicht behoben sind.

Tabelle: Künstliches Futter für Oophagen-Quappen.

Fischeier (1), gefroren im Mörser zerstossen, 0,8 ml
Aminosäuren (Eialbuminhydrolysat) (2), pulverisiert, 80 mg
Folsäure/Iodat Lösung (3), 50
µl

(1) Fischeier tiefgefroren (Kabeljau), Ruto B.V. Zevenhuizen, Holland
(2) Egg Amino, Power Food, Wetzikon, Schweiz
(3) Folsäure 0,01 mg/ml plus Kaliumjodat 0,5 mg/ml

Die Quappen wurden einzeln in PE/PP-Trichtern, die mit einem engepressten PTFE-Zapfen verschlossen waren und in konische Kunststofffassungen in Plastikwannen eingesteckt werden können, aufgezogen (Bild 1). Dabei blieben die Geschwister eines Geleges geordnet nebeneinander. Herkunft und Schlupfdaten wurden protokolliert. Es zeigte sich, dass Entwicklungsstörungen bei den Quappen stets in einer Geschwisterreihe gleichförmig und zeitlich eng korreliert auftraten. Das erschien mir äusserst seltsam. Die Störungen waren:

1. Ein Wachstumsstopp, ohne dass die Quappen eingingen: sie frassen weiter, wenn auch geringe Mengen. Das hätte man noch als Folgeerscheinung eines ungeeigneten Futtes werten können.


2. Sie entwickelten Hinterbeine, aber danach stoppte die Entwicklung, es kam keine volle Farbausbildung mehr zustande. Auch in diesem Fall verendeten die Quappen nicht,
sondern blieben einfach stehen. Eine Aufzucht (etwa 140 Quappen) entwickelte komplett keine Vorderbeine (also nicht SLS).

3. Schliesslich gab es Quappen, die trotz vollständiger Entwicklung den Landgang nicht erreichten und ertranken. Bei normaler Entwicklung war der Landgang für die kleinen Frösche problemlos, man musste rechtzeitig einen Plexiglasaufsatz über den Trichter geben, um ein Entweichen zwischen die Trichter zu verhindern und die kleinen Frösche waren während der 2-3 Tage unter diesem Aufsatz äusserst agil und wechselten behend zwischen dem Wasser und
der Trichterwand hin und her.

Bild 1: Oophagen-Quappen in ihren Aufzuchttrichtern in verdünntem Erlenzapfentee, Wasserwechsel jeweils 2h nach dem Füttern.

Die Jungfrösche wurden zu je 12-15 in 60x40x50 cm dicht bewachsenen Terrarien aufgezogen. Sie wuchsen begeisternd heran, bis mit dem 7.-8. Monat die plötzlichen Verluste ohne vorherige Symptome einer Erkrankung begannen. Und wieder waren es die Geschwister, die zeitlich knapp hintereinander eingingen. Also z.B. erst die gelben bull`s eye und wenige Wochen danach die roten, die etwas jünger waren.


Bild 2 : Oophaga histrionica, Morphe bull`s eye gelb, ca 4 Monate.

Ich habe die Aufzucht von Quappen daraufhin eingestellt und beschlossen, nach den Gründen für die Verluste zu suchen. Mein Verdacht waren genetische Störungen. Genschalter mit den
verschiedensten inneren wie äusseren Auslösern werden immer zahlreicher bekannt. Ich hatte im Dendroboard früher Beiträge über SLS gelesen, die von einer genetischen Störung bei SLS berichteten. So gelangte ich zu der Arbeit von Dr Th. Wöhrmann. Seltsamerweise war diese Arbeit - obwohl in Aachen ausgeführt - hier bisher unbeachtet geblieben. Nach einem Gespräch mit Herrn Dr Wöhrmann muss man zwar einiges von den indirekt erhaltenen Informationen (die ich im Post zu SLS wiedergegeben habe) korrigieren, insgesamt kann man jedoch von einer genetischen Störung bei SLS ausgehen.

Eine weitere Suche nach Verbesserungen des künstlichen Futters in der Hoffnung, dadurch zu besseren Aufzuchtraten zu gelangen, ist meiner Meinung nach sinnlos. Ich gehe davon aus, dass Störungen des inneren und/oder äusseren Milieus zu multiplen Ablesestörungen der genetischen Information führen und erhebliche Verbesserungen in der Ernährung und Haltung nötig sein werden, dem zu begegnen. Eine Suche nach "der" Ursache wird erfolglos bleiben. Erst bei der grundsätzlichen Suche nach den möglichen Fehlern entdeckt man, wie umfangreich diese Liste wird und wieviel Gewohntes sich darauf wiederfindet. Dazu hat jedenfalls die zunächst nicht erfolgreiche künstliche Quappenaufzucht entscheidend beigetragen (E. Kästner: Irrtümer haben ihren Wert, jedoch nur hie und da, nicht jeder der nach Indien fährt, entdeckt Amerika).